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Schätzung eines Gastronomiebetriebes bei Vorliegen von Formalmängeln

Stand: 28. Mai 2020

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat zur Frage der abgabenrechtlichen Schätzung eines Gastronomiebetriebes zuletzt wie folgt entschieden: Eine ordnungsgemäße Aufzeichnungsführung erfordert ein Belegwesen, das einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit ohne weitere Nachforschungen einen zuverlässigen Überblick über die Vollständigkeit und Richtigkeit der verbuchten Geschäftsfälle bietet. Dazu ist eine Belegorganisation bestehend aus einem Belegnummerierungssystem und einem Belegablagesystem erforderlich. Die Belegnummer hat primär den Zweck, den Geschäftsfall in seiner zeitlichen Reihenfolge zu fixieren, ihn zu identifizieren und damit die spätere Auffindbarkeit in der Belegablage zu ermöglichen. Fehlen im Journal oder auf den Erlöskonten die Rechnungsnummern, ist nicht kontrollierbar gewährleistet, dass alle Belege (Ausgangsrechnungen) einer Verbuchung auf den entsprechenden Erlöskonten zugeführt wurden. Hinzu kamen weitere Dokumentations- und Nachweismängel. Im Ergebnis sah das Bundesfinanzgericht die Vornahme einer Schätzung durch die Finanzverwaltung als berechtigt an. Der Entscheidung sind für die praktische kaufmännische Führung im Gastronomiebetrieb, aber auch für die Rechtfertigung im finanzbehördlichen Prüfungsverfahren wichtige Details zu entnehmen.

Das BFG kam zur Ansicht, dass den in der Bundesabgabenordnung normierten Grundsätzen der geordneten, vollständigen und richtigen Eintragung sowie der Klarheit, Sicherheit und Prüfbarkeit der Buchführung binnen angemessener Zeit wurde auf Grund der dargestellten Mängel nicht Rechnung getragen wurde.

Eine verlässliche und einfache Verbindung zwischen den Erlösen laut Kassenprotokoll und den buchmäßig erfassten Erlösen kann laut BFG nicht hergestellt werden, da im Kassajournal die Spalte „Rechnungsnummer“ jeweils mit der Ziffer „0“ versehen ist. Teilweise sind auch dem BFG vorgelegte Rechnungsausdrucke nicht mit fortlaufenden Nummern versehen. Eine eindeutige Zuordnung zwischen Geschäftsfall und Beleg ist daher unmöglich (beispielsweise zwei komplett idente Rechnungen für verschiedene Geschäftsfälle). Die Unterlagen sind teils nicht lesbar, teils sind Datenquelle und Zeitpunkt ihrer Erstellung nicht ersichtlich. Die für die Vornahme einer vernünftigen Kalkulation erforderlichen Informationen („Parameter“) wurden nicht oder erst sukzessive bereitgestellt. Grundlegende Aufzeichnungen wurden nicht aufbewahrt (Kellnertagesabrechnungen, Checklisten). Stammdatenänderungen wurden nicht protokolliert. Die nach mehrfacher Aufforderung beigeschaffte „Bescheinigung“ des Kassenherstellers bietet laut BFG keine hinreichende Gewähr für die tatsächlich bestehende nachträgliche Unabänderbarkeit einmal eingegebener Daten.

In ihrem Zusammenwirken sind diese Mängel jedenfalls geeignet, die sachliche Richtigkeit der Bücher des Abgabenpflichtigen in Zweifel zu ziehen. Mit der Vorlage von teils unlesbaren Unterlagen wurde die Mitwirkungspflicht nur mangelhaft erfüllt. Gemäß Bundesabgabenordnung war das Finanzamt daher dem Grunde nach jedenfalls zur Vornahme einer Schätzung berechtigt.

Das Finanzamt brachte im Rahmen seiner Schätzung sowohl bei den Umsätzen als auch bei der Gewinnermittlung einen Sicherheitszuschlag in Höhe von je 4% in Ansatz. Da im Beschwerdefall auf Grund der dargestellten Mängel eine plausible Kalkulation nahezu unmöglich war, ist laut Bundesfinanzgericht auch nicht zu beanstanden, dass die Abgabenbehörde von der Verhängung pauschaler Zuschläge Gebrauch gemacht hat. Andere, besser geeignete oder gar konkretere Parameter standen nicht zur Verfügung.

Das Bundesfinanzgericht vertrat aber die Auffassung, dass grundsätzlich ein Zuschlag von 2% angemessen erscheint. Dies, da nur formelle Mängel vorliegen, diese im langwierigen Beschwerdeverfahren - zumindest zum Teil - aufgeklärt werden konnten und die Hinzuschätzung auf Basis der Gesamtumsätze des Abgabenpflichtigen (welche sich in den strittigen Jahren immerhin zwischen rund € 1,85 und 2 Mio. netto bewegten) erfolgte.

Bei der Gewinnermittlung war überdies ein angemessener Wareneinsatz zu berücksichtigen: Eine Kalkulation hat die Abgabenbehörde nicht vorgenommen bzw. war eine solche – in halbwegs plausibler Weise – auf Grund der dargelegten Mängel kaum zu bewerkstelligen.

Der Abgabenpflichtige brachte in seiner Beschwerde unter anderem vor: „Gehen wir davon aus, dass die Vermutungen der Betriebsprüfung nur darauf hinauslaufen können, dass durch die behauptete sachliche Unrichtigkeit der Buchführung eine Umsatzverkürzung stattfand. Unserer Anregung doch bitte eine Kalkulation vorzunehmen um überhaupt von einer gerechtfertigten Hinzurechnung sprechen zu können, wurde mit dem Hinweis begegnet, dass diese wohl stimmen wird. Dies impliziert jedoch, dass nicht nur eine Umsatzverkürzung sondern auch Schwarzeinkäufe unterstellt werden - wie sonst sollten Mehrumsätze erzielbar sein, wenn die Umsatzverprobung stimmt.“

Dieses Vorbringen hat nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine gewisse Berechtigung für sich. Das Finanzamt hat diesem Vorbringen auch nicht hinreichend konkret widersprochen. Der vom Finanzamt allgemein gehaltene Hinweis, der Sicherheitszuschlag umfasse als pauschale Größe auch den Wareneinsatz, überzeugte das Bundesfinanzgericht angesichts der sich aus der Buchhaltung des Abgabenpflichtigen ergebenden Prozentsätze, die keine ungewöhnlichen Auffälligkeiten zeigen, nicht.

Über Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes teilte der Abgabenpflichtige mit, dass die aus der Buchführung ermittelten Wareneinsätze in den Streitjahren 36,53%, 34% und 33,45% betrugen. Das BFG hat daher bei Ermittlung der Einkünfte pro Jahr jeweils einen pauschalen Wareneinsatz von 40% in Anschlag gebracht.

Quelle: Bundesfinanzgericht (BFG) vom 05.03.2020, RV/2100318/2015

Stand: 28. Mai 2020 | LBG 

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