Ordination im Ärztezentrum: Umsatzsteuerliche Konsequenzen abhängig von Grad des Serviceangebotes (reine Vermietung vs. komplettes Dienstleistungspaket)
Stand: 27. Mai 2025
Wer als Arzt oder Ärztin in einem Ärztezentrum praktizieren möchte, hat unter Umständen die Wahl, ob er/sie die Räumlichkeiten auf Basis eines reinen Mietvertrages nützen oder ob er/sie ein gesamtes Dienstleistungspaket in Anspruch nehmen möchte, bei dem die Nutzung der Räumlichkeiten untergeordnet ist. Diese Unterscheidung ist nicht nur organisatorisch wichtig, sondern hat auch konkrete umsatzsteuerliche Konsequenzen – sowohl für das Ärztezentrum, als auch für den Arzt/die Ärztin. Je nachdem, wie das Vertragsverhältnis ausgestaltet ist, muss das Ärztezentrum dem Arzt/der Ärztin Umsatzsteuer in Rechnung stellen – oder eben nicht. Die Erbringung ärztlicher Leistungen ist in der Regel unecht umsatzsteuerbefreit, damit entfällt jedoch auch das Recht auf einen Abzug von in Eingangsrechnungen enthaltener Umsatzsteuer (= Vorsteuerabzug). Es macht daher Sinn, sich dazu Gedanken zu machen und zu den steuerlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen informiert zu sein.
Die Benützung eines Ärztezentrums kann einerseits im Rahmen einer reinen Vermietung von Räumlichkeiten erfolgen, die grundsätzlich umsatzsteuerbefreit ist. Eine Option zur Umsatzsteuerpflicht wäre für den Vermieter (das Ärztezentrum) nur dann möglich, wenn sein Mieter ein Unternehmer ist, der den Mietgegenstand zu mehr als 95% für umsatzsteuerpflichtige Umsätze verwendet. Dies ist beim Arzt/der Ärztin in der Regel aber nicht der Fall, da der Arzt/die Ärztin grundsätzlich umsatzsteuerbefreite Umsätze tätigt. Daher kann der Vermieter (das Ärztezentrum) bei der Vermietung von Ordinationsräumlichkeiten idR nicht zur Umsatzsteuer optieren und damit auch keine Vorsteuer aus der Errichtung oder dem Kauf des Gebäudes abziehen. Für den Arzt/die Ärztin bedeutet dies, dass seine/ihre zu bezahlende Miete keine Umsatzsteuer enthält. Ob ein allfälliger „Vorsteuerschaden“ aufgrund des nicht möglichen Vorsteuerabzugs vom Vermieter an den Arzt/die Ärztin verrechnet werden kann, kommt auf die vertragliche Gestaltung an.
Andererseits kann das Ärztezentrum neben den Räumlichkeiten eine Summe von Dienstleistungen anbieten, wie zum Beispiel Reinigung, Telefondienst mit Terminmanagement, Empfang an der Rezeption, Buchhaltung, Einkauf, Lagerverwaltung, Postadministration, Marketing, etc. Der Arzt/die Ärztin muss sich um keine organisatorischen Belange kümmern, sondern kann sich rein auf die medizinische Behandlung seiner Patient:innen konzentrieren. Dem einzelnen Arzt/der einzelnen Ärztin wird dabei kein spezieller eigener Raum zur Verfügung gestellt, über den er/sie ausschließlich wie ein/e Mieter:in verfügen kann. Vielmehr bestehen die Leistungen des Ärztezentrums in einem Paket von Dienstleistungen. Die damit zwangsläufig einhergehende Benützung der vorhandenen Räumlichkeiten des Ärztezentrums durch den Arzt/die Ärztin stellt im Verhältnis zu den insgesamt erbrachten Dienstleistungen eine untergeordnete Nebenleistung dar. Dadurch tritt die Grundstücksvermietung im engeren Sinn steuerlich in den Hintergrund, weshalb auch die für die Grundstücksvermietung geltende Umsatzsteuerbefreiung keine Anwendung findet.
Im Ergebnis erbringt das Ärztezentrum dabei an den einzelnen Arzt/Ärztin keine umsatzsteuerbefreite Grundstücksleistung, sondern eine in Summe umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung, und ist gleichzeitig zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Für den einzelnen Arzt/die einzelne Ärztin erhöhen sich damit die Kosten für die Benützung des Ärztezentrums um die verrechnete Umsatzsteuer, die er/sie selbst nicht als Vorsteuer abziehen kann.
LBG-Hinweis: Ganz generell empfiehlt sich im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Entscheidungen rund um die Erbringung von ärztlichen Leistungen jedenfalls vorweg steuerlichen Rat einzuholen. Schon allein deshalb, weil je nach dem konkreten Typus der erbrachten ärztlichen Leistung oder damit im Umfeld verbundenen Geschäften eine Umsatzsteuerpflicht oder eben eine unechte Umsatzsteuerbefreiung mit Vorsteuerabzugsverbot besteht.
Stand: 27. Mai 2025 | LBG
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