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Steuer-News | Unternehmer-News

Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Übertragung von Gegenständen (z.B. Grundstücke), Unternehmen, Beteiligungen, Nachlass-Aufteilung

Stand: 27. Juni 2023

Ertragsteuerlich ist eine Schenkung grundsätzlich nur bei Vermögensübertragungen unter (nahen) Angehörigen anzunehmen (weil Fremde einander gewöhnlich nichts zu schenken pflegen). Bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen wird in Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch bei einem Kaufpreis unter dem gemeinen Wert (gemischte Schenkung) steuerlich Unentgeltlichkeit des gesamten Vorgangs angenommen (keine "Teilentgeltlichkeit"), wenn insgesamt Zuwendungsabsicht besteht und der Schenkungscharakter des Geschäftes überwiegt. Der VwGH hat im Jahr 2021 dazu neue Prozentgrenzen gezogen, die im Einkommensteuer-Wartungserlass 2023 der Finanzverwaltung Eingang gefunden haben. Dabei kommt es auf die Details an.

1. Für die Beurteilung einer Übertragung von Gegenständen (z.B.: Grundstücke) als entgeltlich oder unentgeltlich gilt:

Bei Übertragungen nach dem 15.11.2021:

  • Beträgt die Gegenleistung (Kaufpreis) zumindest 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist davon auszugehen, dass ein entgeltlicher Vorgang (VwGH 16.11.2021, Ro 2020/15/0015) vorliegt. Bei einem Grundstück fällt also ImmoESt an.
  • Beträgt die Gegenleistung (Kaufpreis) höchstens 25% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt eine unentgeltliche Übertragung (Schenkung) vor.
  • Beträgt die Gegenleistung (Kaufpreis) mehr als 25% aber weniger als 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist unter nahen Angehörigen grundsätzlich von einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft (Schenkung) auszugehen. Bei einem Grundstück fällt also keine ImmoESt an).

Bei Übertragungen vor dem 16.11.2021:

Beträgt die Gegenleistung (Kaufpreis) weniger als 50% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt ein Missverhältnis und eine unentgeltliche Übertragung (Schenkung) vor. Für Übertragungen vor dem 16.11.2021 mit einer Gegenleistung zwischen 50% und 75% des Verkehrswerts ist zu unterscheiden:

  • Wurde die Übertragung vor dem 16.11.2021 entsprechend dem damals geltenden BMF-Erlass als entgeltlicher Vorgang qualifiziert und gegenüber der Abgabenbehörde auch keine Unentgeltlichkeit behauptet, haben die Parteien damit offenkundig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, ein entgeltliches Rechtsgeschäft abgeschlossen zu haben. Dementsprechend besteht im Lichte des Erkenntnisses des VwGH vom 16.11.2021, Ro 2020/15/0015, keine Grundlage, diese Willensentscheidung nachträglich umzudeuten. Eine spätere "Umqualifikation" der entgeltlichen auf eine unentgeltliche Übertragung kommt daher nicht in Betracht.
  • Wurde die Übertragung vor dem 16.11.2021 seitens des Steuerpflichtigen abweichend vom damals geltenden BMF-Erlass als unentgeltlich qualifiziert, aber vom Finanzamt unter Berufung auf die damals geltende 50%-Grenze als entgeltlich beurteilt, ist unter Zugrundelegung der vom VwGH aufgestellten Grundsätze zu beurteilen, ob nach dem Willen der Parteien im vorliegenden Fall tatsächlich eine unentgeltliche Übertragung zwischen Angehörigen vorgelegen ist. Ist dies der Fall, sind die entsprechenden Bescheide auf Antrag des Steuerpflichtigen innerhalb der Ein-Jahres-Frist des § 299 BAO gegebenenfalls aufzuheben bzw. abzuändern. Auch im Falle einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO kann die Frage der Entgeltlichkeit/Unentgeltlichkeit in einem solchen Fall neu zu bewerten sein; die geänderte Rechtsansicht (in Folge der VwGH-Rechtsprechung) selbst stellt jedoch keinen Wiederaufnahmegrund dar.

2. Entgeltlichkeit beim Verkauf von Unternehmen

Bei der Übertragung von Unternehmen nach dem 15.11.2021 erfolgt in gleicher Weise die Abgrenzung zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit. Unentgeltlichkeit wird also grundsätzlich angenommen, wenn der Kaufpreis weniger als 75% des Unternehmenswertes beträgt und die Übertragung unter nahen Angehörigen erfolgt (für Vorgänge bis zum 15.11.2021 gilt die 50%-Grenze).

3. Entgeltlichkeit beim Verkauf von Beteiligung an vermögensverwaltender Personengesellschaft

Beim Verkauf von Anteilen an einer vermögensverwaltenden KG, der nach dem 15.11.2021 stattfand, gilt für die Abgrenzung von Entgeltlichkeit zur Unentgeltlichkeit ebenfalls die 75%-Grenze. Allerdings wird der in der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft enthaltene Anteil der Schulden der Personengesellschaft als weitere Gegenleistung (zusätzlich zum Kaufpreis) angesehen.

4. Entgeltlichkeit bei Aufteilung des Nachlasses zwischen den Erben

Teilen sich die Erben die Gegenstände, die zum Nachlass eines Verstorbenen gehören, auf, sodass z.B. ein Erbe das Alleineigentum an einem Grundstück (des Verstorbenen) und ein anderer Erbe die Kunstgegenstände (des Verstorbenen) erhält, gilt diese Aufteilung als unentgeltlicher Vorgang und ist damit steuerneutral. Anders ist es aber, wenn ein Erbe aus nachlassfremden Mitteln (also aus seinem Privatvermögen) Zahlungen an die anderen Erben leistet, um das Alleineigentum an einem Nachlassgegenstand zu erhalten. Dann ist zu prüfen, ob der Vorgang entgeltlich ist. Für solche Vorgänge nach dem 15.11.2021 gilt: nur wenn das aus nachlassfremden Mitteln stammende Entgelt zumindest 75% des Verkehrswertes des übertragenen Anteils am Nachlassgegenstand ausmacht, liegt eine Veräußerung (entgeltlicher Vorgang) vor.

LBG Hinweis: Die steuerlichen Regelungen rund um die Einordnung eines Sachverhalts in einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Vorgang (mit den damit verbundenen weitreichenden unterschiedlichen Besteuerungsfolgen) zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, bereits in der Phase der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung und deutlich vor dem Abschluss von Verträgen umfassenden steuerlichen Rat einzuholen. Die obigen Ausführungen zeigen die Situation naturgemäß nur beispielhaft und schematisch auf. Für eine zutreffende Beurteilung im Einzelfall kommt es auf die Details des Sachverhalts und der involvierten Steuerpflichtigen an. 

Stand: 27. Juni 2023 | LBG

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