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Steuer-News | Unternehmer-News

„Selbständiger“ oder doch „Dienstnehmer“ – ab 1.7.2017 ist vorab oder auch im Nachhinein eine bescheidmäßige Zuordnung möglich – mit Wirkung für Sozialversicherung + Steuer!

Stand: 14. Juli 2017

Selbständig oder doch Dienstnehmer? Die Beurteilung dieser Frage ist in der Praxis – trotz zwischenzeitig mehrfach ergangener, klärender höchstgerichtlicher Judikatur durch den VwGH – nach wie vor herausfordernd. Liegt man falsch, kommt es nach einer „Umqualifizierung“ durch die Gebietskrankenkasse im Zuge späterer Überprüfungen immer wieder zu dramatischen Abgabennachzahlungen. Teils mussten Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für bis zu 5 Jahre nachgezahlt werden! Ab 1. 7. 2017 schafft nun das soeben in Kraft getretene Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) ein gutes Stück Erleichterung: Nun kann die Frage der Zuordnung „Selbständiger“ oder doch „Dienstnehmer“ für Neu- und Altfälle bescheidmäßig gelöst werden. Die Chance sollte genützt werden, reinen Tisch zu machen und nicht nur neue, sondern auch bereits bestehende Werk- bzw. Dienstverträge einer aktuellen, kritischen Beurteilung zu unterziehen.

Vor allem bei Ein-Personen-Unternehmen (EPU) hat die Thematik große praktische Relevanz. Immerhin rund 42 Prozent der Ein-Personen-Unternehmen (Betriebe, bei denen der Gründer auch der einzige Beschäftigte ist) – arbeiten laut KMU Forschung Austria für einen einzigen Auftraggeber, oftmals auch direkt bei diesem vor Ort. Damit wird die Abgrenzung „Selbständiger“ oder doch „Dienstnehmer“ des Auftraggebers besonders schwierig.

Worin liegt nun, geregelt im neuen Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz, die Lösung?

Vorabprüfungsverfahren: Künftig wird bei neuen Selbständigen, bestimmten freien Gewerben und land(forst)wirtschaftlichen Nebentätigkeiten laut Punkt 6 und 7 der Anlage 2 zum BSVG (z.B. Hagelschätzer, Biokontrollor, Fleischklassifizierer,…) bereits bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit geprüft, ob eine Pflichtversicherung nach dem ASVG oder nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) bzw. dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) vorliegt.

Neuzuordnungsverfahren: Weiters hat auf Antrag des Auftraggebers/Versicherten eine Überprüfung der Versicherungszuordnung zu erfolgen bzw. kann aufgrund einer GPLA-Prüfung (= gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) eine Neuzuordnung der Versicherungszuständigkeit eintreten.

Bindungswirkung für Sozialversicherung + Finanzamt: An das Feststellungsergebnis sind sowohl die Versicherungsträger (GKK – Gebietskrankenkassen, SVA – Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, SVB – Sozialversicherungsanstalt der Bauern) als auch das Finanzamt gebunden.

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) informiert dazu im Detail wie folgt:

Versicherungszuordnung bei Neuanmeldung - Vorabprüfung

Zukünftig erhalten „Neue Selbständige" und bestimmte gelistete Gewerbetreibende bei Neuanmeldung zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit einen Fragebogen, welcher zur Überprüfung der Versicherungszuordnung (SVA/GSVG bzw. SVB/BSVG oder GKK/ASVG), Selbständiger oder Dienstnehmer, benötigt wird.

Dazu ein Beispiel:

Frau A meldet sich als Physiotherapeutin zur Pflichtversicherung für „Neue Selbständige" an. Aufgrund ihrer Angaben im Fragebogen geht die SVA von einer selbständigen Tätigkeit aus und übermittelt den Fragebogen der GKK zwecks Prüfung bzw. Bestätigung dieser Beurteilung.

Da Frau A lt. Fragebogen in den Räumlichkeiten des Auftraggebers X tätig wird und seine betriebliche Infrastruktur benützen darf, ortet die GKK ein Dienstverhältnis. Daher wird der Fall gemeinsam (GKK und SVA) besprochen. Dabei kann die SVA die GKK davon überzeugen, dass Frau A auch eine eigene betriebliche Struktur hat, sich die Arbeitszeit frei einteilen und sich auch uneingeschränkt vertreten lassen kann und daher die Argumente für die Selbständigkeit überwiegen.

Frau A erhält von der SVA einen Bescheid, mit dem die Pflichtversicherung nach dem GSVG festgestellt wird, und ist dadurch vor der späteren Feststellung der Pflichtversicherung nach dem ASVG (aufgrund der Tätigkeit für den Auftraggeber X) geschützt (sofern die tatsächlichen Verhältnisse den Angaben im Fragebogen entsprechen).

Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA-Prüfung) - Neuzuordnung

Tritt bei einer versicherungsrechtlichen Prüfung oder bei einer GPLA-Prüfung der Verdacht einer ASVG-Versicherung auf, so muss die GKK oder das Finanzamt die SVA bzw. die SVB unverzüglich über den Verdacht verständigen. In weiterer Folge prüfen GKK bzw. Finanzamt mit der SVA bzw. SVB gemeinsam die Zuordnung: Die SVA bzw. SVB ist in die Ermittlungen mit einzubeziehen!

Ergibt die Prüfung, dass im maßgeblichen Zeitraum eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, verbleibt es bei der Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG und die SVA bzw. SVB stellt einen Bescheid über die Pflichtversicherung aus. Aufgrund der Bindungswirkung kann in einem späteren Prüfverfahren eine Neuzuordnung nur bei falschen Angaben oder bei einer maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes vorgenommen werden. Wird hingegen einvernehmlich festgestellt, dass keine selbständige Erwerbstätigkeit, sondern ein Dienstverhältnis vorliegt, so wird von der Gebietskrankenkasse ASVG-Pflichtversicherung (ohne Bescheid) festgestellt.

Prüfung der Versicherungszuordnung über Antrag

Sie können als bereits SVA bzw. SVB Versicherte über Antrag Ihre Versicherungszuordnung überprüfen lassen. Grundsätzlich ist für solche Verfahren die GKK zuständig. Die SVA bzw. SVB kann jedoch im Rahmen des jeweiligen Wirkungsbereiches auch selbst Erhebungen durchführen. Zwecks Zuordnung zur entsprechenden Versicherung muss der dafür vorgesehene Fragebogen ausgefüllt und an die SVA bzw. SVB gesandt werden.

Geringere Nachforderung als bisher bei „Umqualifizierung“

Unter „Umqualifizierung“ versteht man die Zuordnung eines bisher selbständig Erwerbstätigen zu einem freien Dienstnehmer; der bisherige Auftraggeber wird also (oft unerwartet) zum Dienstgeber. 

NEU seit 1. Juli 2017: Bei einer solchen „Umqualifizierung“ kommt es – anders als bisher – zu einer beitragsrechtlichen Rückabwicklung, wodurch die Beitragsbelastung des Dienstgebers gesenkt wird. Alle zu Unrecht geleisteten Beiträge des vormals Selbständigen werden an den zuständigen Krankenversicherungsträger des neuen Dienstgebers überwiesen. Dieser berechnet die Beiträge unter Anrechnung des Überweisungsbetrages. Ein Überschuss wird von Amts wegen an den Versicherten ausgezahlt.

Dazu ein Beispiel:

Bei einem Essenszusteller wird im Jahr 2017 von der Gebietskrankenkasse rückwirkend für das Jahr 2016 Dienstnehmereigenschaft und somit Pflichtversicherung nach dem ASVG festgestellt.

In diesem Jahr lagen Einkünfte von 15.000 Euro vor. Die an die SVA gezahlten Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 4.031,82 Euro (PV: 2.775 Euro, KV: 1.147,50 Euro, UV: 109,32 Euro) werden an die Gebietskrankenkasse überwiesen. Diese bildet eine ASVG-Beitragsgrundlage. Die Vorschreibung an den Dienstgeber reduziert sich somit um 4.031,82 Euro. Es verbleibt eine Nachzahlung von ca. 2.700 Euro für den Dienstgeber.

Keine Einigung zwischen GKK und SVA bzw. SVB

Für den Fall, dass keine Einigung bei der Versicherungszuordnung erzielt wird, hat die Gebietskrankenkasse (GKK) einen Bescheid auszustellen. In diesem muss sich die GKK im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der SVA bzw. SVB auseinandersetzen. 

NEU seit 1. Juli 2017: Damit kann die SVA bzw. SVB künftig im Rechtsmittelverfahren auch Ihre Interessen besser vertreten.

Bindungswirkung durch Bescheid auch gegenüber den Steuerbehörden

Die GKK muss nach einer Einigung der Versicherungszuordnung auf Wunsch einen Bescheid ausstellen. 

NEU seit 1. Juli 2017: Die Entscheidung darüber ist für spätere Prüfungen bindend, solange sich der maßgebliche Sachverhalt nicht ändert und auch keine falschen Angaben gemacht wurden.

Steuerliche Auswirkungen

Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides über die Versicherungszuständigkeit entfaltet auch Bindungswirkung für die Zuordnung zu selbständigen oder unselbständigen Einkünften nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes. 

NEU seit 1. Juli 2017: Wird beispielsweise Pflichtversicherung nach dem GSVG festgestellt, so führt diese – steuerlich gesehen – zu Einkünften aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit. Dies gilt nicht, wenn der Bescheid auf falschen Angaben beruht oder sich der zugrunde liegende Sachverhalt geändert hat. (§ 86 Abs 1a EStG in der aktuellen Fassung)

Sozialversicherungsrechtliche Prüfung von Zeiträumen vor 1.7.2017

Entsprechend dem Zweck des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes, nämlich Klarheit durch Verständigung zwischen den Sozialversicherungsträgern nach dem ASVG, dem GSVG und dem BSVG zu schaffen, beziehen sich die neuen Regelungen auch auf Zeiträume, die vor dem Inkrafttreten (1.7.2017) liegen.

LBG Österreich stellt Ihnen den SVA Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung – Stand 1.7.2017 zum Download zur Verfügung.


Kontakt & Beratung:
Unsere Expert/innen aus dem Beratungsfeld „Personalverrechnung, Lohnsteuer, Sozialversicherung, Arbeitsrecht“ beraten Sie gerne in Ihrer individuellen Situation. Bitte wenden Sie sich direkt an unsere Berater/innen bei LBG an unseren 30 österreichweiten Standorten (www.lbg.at) oder an welcome@lbg.at - wir bringen Sie gerne mit dem, mit Ihrem Anliegen vertrauten LBG-Experten zusammen, führen Ihre Lohn- und Gehaltsverrechnung und beraten Sie in allen Fragen rund um Selbständigkeit und Beschäftigungsverhältnisse.

 

  
“Self-employed” or “Employee” –
since July 1st 2017 a binding decision by the social insurance is possible in Austria, even in advance

LBG-Summary: The classification “Self-employed” or “Employee” can be challenging and has, if wrong, severe consequences on social security and taxes in Austria. In practice, difficulties in the classification arise mainly when freelancers are predominantly working for one client or are integrated into their client’s economic organization. In the course of an audit by the authorities, the question regularly arises is whether the customer has to be qualified as an employer - with all associated obligations and additional payment. In order to provide a binding effect and avoid later consequences, as of July 1st 2017 certain groups, notably “new self-employed”, freelancers, farmers carrying out sideline activities, will be checked by questionnaire – now already before starting to work – if they are assigned to the correct social security and therefore correctly classified “self-employed” or “employee”. The social security check is also possible for existing employment.

Contact & Advise: Our experts in the consulting field “payroll accounting, income tax, social security, labour law” will be pleased to advise you in your individual situation. Please contact our consultants either directly at LBG at our 30 locations in Austria (www.lbg.at) or email us welcome@lbg.at – we will connect you with the right expert at LBG who is very familiar with your concerns.